Im vergangenen Jahr haben deutsche Verbraucher laut Berechnungen des Industrieverbandes Körperpflege- und Waschmittel (IKW) rund 13,6 Milliarden Euro für Kosmetika ausgegeben. Die Branche freut sich über Wachstum, steht aber vor neuen Herausforderungen, um den gestiegenen Ansprüchen der Verbraucher und der Politik gerecht werden zu können. Experten aus Forschung, Entwicklung, Qualitätssicherung und Marketing diskutierten die wichtigsten Entwicklungs- und Markttrends auf der siebten Fresenius Kosmetika Tagung am 30. und 31. März in Mainz. Im Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen standen in diesem Jahr neue Konzepte für die Konservierung, Innovationen gegen Hautalterung und die gestiegene Nachfrage nach grünen Kosmetika.
Elfriede Dambacher, Branchenexpertin und Kennerin des Naturkosmetikmarktes, beobachtet, dass Konsumenten weltweit besorgt über Inhaltsstoffe in Kosmetika sind. „Clean Products“ seien gefragt, die Käufer erwarten mehr Transparenz und berücksichtigen auch ethische Aspekte bei der Kaufentscheidung: „Der Wertewandel erfasst den gesamten Kosmetikmarkt.“
Neue Konzepte für Konservierung kosmetischer Produkte: Biocide Booster
Eine große Herausforderung für die Industrie liegt darin, den Bedarf an Bioziden für die Konservierung kosmetischer Mittel einerseits zu senken und andererseits durch umweltfreundliche und nachhaltige Technologien zu ersetzen. Als einen möglichen Ansatz stellte Patrick Schwarzentruber, Geschäftsführer der microsTECH AG in der Schweiz das Konzept der „Biocide Booster“ vor. „Booster“ haben selbst keine antibakterielle Wirkung. Aber in Kombination mit antibakteriellen Wirkstoffen wie Bioziden erhöhen sie deren antimikrobielle Effizienz und Stabilität. Die katalysierende (Booster-) Wirkung wird durch eine Destabilisierung der Zellmembrane ausgelöst und macht diese durchlässiger für Biozidmoleküle. So können Booster resistente Keime wieder empfänglich für einen antimikrobiellen Wirkstoff machen. Heute sind bereits einige Booster-Technologien auf dem Markt erhältlich. Patrick Schwarzentruber ist von der positiven Wirkung überzeugt: „In vielen Fällen kann die Biozidkonzentration gesenkt und der Einfluss auf Mensch und Umwelt reduziert werden.“
Air-Pollution: Luftschadstoffe und ihre Wirkung auf die Haut – ein weites Feld für die Kosmetikindustrie
Jürgen Blaak vom Körperpflegehersteller Kneipp beschäftigte sich in seinem Vortrag mit der Wirkung von Luftschadstoffen auf die Haut. Schlechte Luft lässt die Haut nachweislich schneller altern. Air-Pollution heißt das neue Schlagwort. Die Effekte durch Air-Pollution wie Hautirritation und Hautalterung seien weitestgehend anerkannt, so Blaak. Jedoch sei die Bedeutung des Themas weltweit gesehen recht unterschiedlich. So sei Pollution momentan vorwiegend ein Thema in den Großstädten. Dennoch werde das Thema in Zukunft an Bedeutung gewinnen, so Blaak. Er empfahl den Kosmetikherstellern, ihre Anti-Pollution-Claims durch Kombination unterschiedlicher Parameter abzusichern. Zum Nachweis der Wirkung sollte immer der „Stand der Technik“ berücksichtigt werden. Außerdem riet Blaak zum „Mut zum innovativen Testdesign“. Wirkstudien der Lieferanten können zwar herangezogen werden. Aber sie sollten am Endprodukt verifiziert werden und an die exakten Claims ausgerichtet sein, so seine Empfehlung
Exportstrategien für China: Mit digitalen Lösungen den zweitgrößten Kosmetikmarkt erobern
Die siebte Fresenius Kosmetika-Tagung betrachtete nicht nur den heimischen Markt, sondern blickte auch nach Fernost: Mei Gräfe, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Intergate Consulting in Haar bei München, besitzt mehr als 20 Jahre Berufserfahrung im chinesischen Kosmetikmarkt. Sie gab Tipps für den Markenaufbau in China. Nach den USA ist China der zweitgrößte Kosmetika-Markt weltweit. Das Marktvolumen wächst seit über drei Jahrzehnten, seit 2011 hat sich dieses Wachstum aber stetig verlangsamt. Ausländische Marken dominieren den Markt: Die zehn erfolgreichsten Marken kommen alle aus dem Ausland – nicht zuletzt auf Grund erfolgreicher Marketingstrategien: „Chinesische Konsumenten sind besessen von Marken“ weiß Mei Gräfe. Als wichtigste Markttrends identifiziert sie dekorative Kosmetikprodukte, Kinderhautpflege, Bio- und Naturkosmetika und Männerkosmetik. Für die Einfuhr nach China ist eine wichtige Neuerung in Kraft: Seit diesen März müssen alle Importeure ihre Produkte in das Online-Portal „Registration System of imported Food and Cosmetics Importers and Exporters“ eintragen. So will China die Verfolgbarkeit der importierten Produkte verbessern. Mittelständischen Kosmetikunternehmen, die auf dem chinesischen Markt Fuß fassen möchten, rät Gräfe zu Geduld und Gefühl für digitales Marketing, weil Social Media und Internet-Werbung in China eine große Rolle spielen. Sie nennt es das ‚Wassertropfen-Prinzip‘: „Ein Wassertropfen kann härteste Steine durchbohren.“ Sie ist überzeugt: Mit digitalen Lösungen können sich auch kleinere Kosmetikunternehmen unkomplizierten und nachhaltigen Marktzugang zum chinesischen Markt verschaffen.
Einkaufsverhalten: Kunden möchten „begründet glauben“ und brauchen einfache Zugänge zu Informationen
Marktforscher Stephan Telschow (Berlin) beobachtet den Kosmetikmarkt aus Käufersicht und stellt fest, wie Blogs, Online-Foren und Social Media nicht nur das Lese-, sondern auch das Konsumverhalten verändert haben: „Social Media sind die neue Frauenzeitschrift“. Verbraucher verfügen mehr denn je über Wissen über Produkte, Anwendungen und die eigene Haut. Allerdings fühlen sich viele Menschen durch zu viel Information auch überfordert. Telschow rät deshalb zu einer wohl dosierten Informationsdichte in der Kommunikation für Kosmetika und warnt vor einem „Information Overload“: Zwar sei ein „rationales Narrativ“ in der Kommunikationsstrategie wichtig, weil die Käufer „begründet glauben“ können möchten. Allerdings dürfte die Ansprache nicht zu kompliziert sein. Die Konsumenten wollen zwar immer mehr wissen, fordern aber auch einfache Zugänge zu diesen Informationen – zum Beispiel in Form von intuitiven Produktgeschichten. Am Point of Sale wünschen sich die Menschen Abwechslung und Überraschung. Deshalb rät Telschow der Kosmetikindustrie zu einer einem balancierten Kommunikationsmix: Rationale und informative Kommunikation auf und mit der Verpackung und emotionale Ansprache am Point of Sale. Im Lebensmitteleinzelhandel und in den Drogeriemärkten registriert Stephan Telschow die Tendenz zu „cleanen“, rationalen Sortimentspräsentationen. Diese Anmutungen bergen seiner Meinung nach auch die Gefahr der Überforderung und können die emotionale Beteiligung (engl. „Involvement“) der Kunden reduzieren.
(Autor/Quelle: www.akademie-fresenius.de)